Gefühlsmonster (entworfen von Genrieh Schmidt)

Philosophische Begegnung mit dem Tod – Zwischen Angst und Akzeptanz als Thema im Philosophieunterricht der Q2

„Nicht den Tod fürchten wir, sondern die Vorstellung des Todes.“ – Seneca

 Kaum ein Thema ist so gefürchtet, gehasst, verdrängt oder diskutiert wie der Tod. Die Ungewissheit über das Verbleiben des Körpers und der Seele nach dem letzten Atemzug führt bei vielen Menschen, schon in jungen Jahren, zu einem Zustand der Ohnmacht und Angst. Es gibt gleichzeitig jedoch nicht wenige Menschen, die dieser Ungewissheit mit Akzeptanz und wenig Sorge begegnen. Sei es durch den religiösen Glauben oder die tägliche Konfrontation mit diesem empfindlichen Thema.

Die Komplexität und Emotionalität des Themas hat uns, den Philosophiekurs der aktuellen Q2 unter der Leitung unseres Philosophielehrers Johannes Heuzeroth,  dazu angeregt in den Diskurs zu gehen.

Auf der Suche nach möglichen Grenzen, neuen Perspektiven und aktivem Meinungsaustausch haben wir uns dem Tod als unseren „ständigen Begleiter“ angenähert. Dabei mussten wir nicht selten aus unserer eigenen Komfortzone hinaustreten, die uns zuvor daran gehindert hat, uns offen zum Thema zu äußern.

Mit dem neu gewonnenen Vertrauen, welches wir mit einführenden Gesprächen zueinander gewinnen konnten, hatten wir als Gruppe und Einheit nur ein Ziel: Die Diskussion rund um das „Tabuthema“ Tod nicht nur in den Schulalltag, sondern auch als festen Bestandteil in unser aller Leben zu integrieren. Dabei stand nicht nur der reine mündliche Austausch im Vordergrund, sondern die aktive, praktische und visuelle Auseinandersetzung mit den verschiedenen Fragestellungen und Themenkomplexen, die zum Umdenken und Weiterdenken anregen.

Kreative Zugänge und Perspektiven zum Tod

In Form von Gefühlsmonstern, Bildern, Collagen oder Gedichten kamen die unterschiedlichsten Gefühle und Assoziationen mit dem Thema Tod zusammen. Auch die Frage nach der Bedeutung des Mottos „YOLO“ (You only live once) haben wir uns gestellt und haben so feststellen können, dass neben dem Bewusstsein und der Gewissheit, dass der Tod für uns alle früher oder später ein Thema wird. Auch der Versuch der Verdrängung existiert, der dennoch das Verlangen nach Abenteuern und möglichst prägenden und außergewöhnlichen Erlebnissen auslöst. Dies vor allem mit dem Hintergedanken, dass man eben nur einmal lebt. Der Wunsch nach Erlebnissen und Erfahrungen, die das Leben lebenswert, besonders und erfüllend machen, somit den Tod weniger bedrohlich erscheinen lassen ist groß. In Gesprächen wird deutlich, dass durch die „begrenzte Zeit“ auf dieser Erde auch Druck ausgelöst werden kann, indem man möglichst jeden Augenblick nutzen möchte. Aber, macht nicht jeder Moment, egal ob positiv oder negativ, jedes Leben individuell und besonders? Ist es nötig, dass wir Menschen stets danach streben, den Tod aufgrund von der Angst vor unserer Nichtexistenz zu überwinden? Wir sind bei dieser Frage zu dem Entschluss gekommen, dass auch weniger aufregende, positive Ereignisse von den Nöten sind und geschätzt werden sollten, da diese im Prozess des lebenslangen Lernens und Reifens unverzichtbar sind. Somit ist unsere spätere Nichtexistenz etwas, was uns die Möglichkeit des Nachdenkens, Reflektierens und Lernens, aber auch eine gewisse Freiheit bietet.

Musik und Kunst als Zugänge zum Thema Tod

Um uns erneut kreativ und weiterdenkend mit dem Tod auseinanderzusetzen, beschäftigten wir uns mit dem Lied „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert in Verbindung mit der Bilderserie von Ferdinand Hodler, der seine Frau in verschiedenen Stadien von Krankheit bis zu ihrem Tod zeichnete. Auch hier waren wir in unseren Erarbeitungen frei. Zum ersten Mal in der Reihe mussten wir den Tod auch aus der Perspektive der Hinterbliebenen betrachten. Während die einen ergänzende Portraits zu der Bilderreihe malten, zeigten andere durch Gedichte und neue Songtexte den Kampf ums Überleben der Frau und weitere beschäftigten sich mit der Situation und den Gefühlen des Mannes nach dem Tod seiner Frau. Jede Erarbeitung und jedes Ergebnis trug zu der Besonderheit und zu einem enormen Perspektivenwechsel bei.

Hospiz und Sterbebegleitung- In Wärme und Würde gehen dürfen

Den Höhepunkt und gleichzeitigen Abschluss der Reihe boten uns weitere Gespräche über das Erlebnis „Tod“ als Hinterbliebener. Gleichzeitig begleitete uns das Thema Hospiz zum Schluss, wobei wir uns die Frage stellten, wie es den Menschen ergeht, die wissen, dass sie von Krankheit und der wackelnden Schwelle zum Tod nichtmehr befreit werden. Ein Gespräch des ganzen Kurses mit Herrn Wolf Zippel, der als Sterbebegleiter für genau diese Menschen tätig war, bot uns Antworten, die wir uns selbst in dem Zusammenhang nicht geben konnten. Von persönlichen Fragen bis hin zu Fragen, die sich auf seine Arbeit beziehen, beantwortete er uns alle ehrlich, ausführlich und mit viel Feingefühl. Auch er hat stets den Fokus darauf gelegt, uns die Angst zu nehmen und die Dämonisierung des Todes zu verhindern. Besonders eindrucksvoll für den gesamten Kurs war die Liebe und Begeisterung, mit der er von seiner außergewöhnlichen Arbeit berichtete. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass der Tod nicht nur nimmt, sondern vielen Menschen auch etwas geben kann. Gleichzeitig bekamen wir einen Einblick in die Gefühlswelt und Bedürfnislage eines Menschen, der in Begriff ist zu gehen und haben festgestellt, dass die letzten Wünsche und Bedürfnisse nicht auf großen, spannenden und außergewöhnlichen Ereignissen beruhen, sondern in Verbindung mit körperlicher und seelischer Nähe stehen, die dem Menschen in den letzten Momenten die Angst davor nimmt, loszulassen. Neben der reinen Begleitung in den Tod, kann auch die Arbeit mit Trauernden herausfordernd, aber auch dankbar sein, da die Arbeit im Hospiz oder im Wohnraum des sterbenden Menschen eine viel persönlichere, wärmere Atmosphäre zulässt, die jedoch auch eine gewisse Grenze verlangt, um als Begleiter nicht allzu emotional eingenommen und getroffen zu werden. Das Gespräch ermutigte uns erneut dazu, uns zu öffnen und auch über eigene Verluste durch den Tod zu sprechen, was manche Augen nicht trocken ließ.

Auf die Reihe zurückblickend, hat uns das Gespräch und die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod neue Blickwinkel gezeigt, welche uns Raum für Sorgen, Angst, aber auch fürs Umdenken gegeben haben und im weiteren Verlauf des Lebens sicher noch geben werden. Der Tod ist nichts, wovor man sich fürchten muss. Nichts, worüber man nicht sprechen sollte. Er bietet Möglichkeiten des kreativen Ausdrucks und Austausches, spielt in jeder Religion und bei manchen Krankheiten eine entscheidende Rolle und wird häufig zu etwas Furchteinflößendem gemacht, was er nicht sein muss.

 

Dilara Usta,

Schülerin im Philosophiegrundkurs der Q 2

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